Storytelling für das Allgäu

Kässpatzen Burger vs. Kässpatzen

Da war was!

Von Rolf Kuntz: Sind Allgäuer Kässpatzen im Allgäuer Kässpatzen Burger integrierbar? Oder kann dieses Experiment eine unumkehrbare Weichenstellung für Jahrhunderte einleuten? Ist das Nationalgericht „Kässpatzen“ fast-food-tauglich? Diese kulturentscheidende Frage stellt man sich als praktizierender Allgäuer im fortgeschrittenen Alter. Es geht ja schließlich um unsere Nachfahren.

Aber der Reihe nach: Ich war vor ein paar Wochen in Ravensburg eingeladen. Wir besuchten dabei ein angesagtes Lokal einer Fastfood-Kette. Ich war sicherlich der älteste Gast, vielleicht auch der Älteste, der je dieses Lokal betreten hat.

Ravensburg: Ganz nah am Allgäu

Ravensburg, wer es nicht kennt, ist ein wirklich sehenswertes Städtchen im Schussental deren Altstadt weitgehenst von den Bomben des Weltkrieges verschont wurde. Ravensburg liegt in Oberschwaben und niemand würde die schwäbischen Wurzeln leugnen. Noch zu Napoleonszeiten wurde es dem Illerkreis zugerechnet. Auch die Landschaft gehörte dazu, welche wir heute Allgäu nennen.

Franz-Ludwig Baumann und Otto Merkt waren zu Beginn des 20th-Jahrh. die treibenden Initiatoren für den Landschaftbegriffs des Allgäus und betrachteten das Oberschwaben als ethnisch zugehörig. Letztendlich aber wurde es vom Begriff des Allgäus ausgeschlossen, da die klimatischen Unterschiede für sie zu frapierend waren. Die Argen wurde als Grenzfluss zwischen dem Allgäu und Oberschwaben ausgerufen.

Was ich damit sagen will, Oberschwaben und Allgäu haben miteinander eine nahe Verwandtschaft und man darf Ravensburg eine gewisse Sensibilität beim Umgang mit dem Allgäu unterstellen. Ich jedenfalls bin dieser Meinung!

Allgäuer Kässpatzen Burger – meine Wahl

Als praktizierender Allgäuer war es daher eine Selbstverständlichkeit zwischen den Ravensburger Burgen, Kässpatzen und Allgäu zu wählen. Und wenn man schon eingeladen ist (hier bin ich ganz Schwabe), fällt natürlich die Wahl auf den teureren Burger. Also habe ich alle meine Vorurteile bezüglich Fastfood über den Haufen geworfen und den „Allgäuer Burger“ bestellt.

Die Zutatenliste Beef Burger, Kässpätzle, Röstzwiebeln Salatgurke, Salat war ja auch noch annähernd definierbar und da der Untersatz mit dem Arzt oder Apotheker fehlte, habe ich meinen ganzen Mut zusammengekratzt und diesen bestellt.

Allgäuer Kässpatzen Burger Testbericht

Naja, das mit den Pommes als Beilage hatte ich vermasselt. Ich hätte auch eine andere bestellen können, aber es war in der möglichen Auswahl die einzige bekannte Größe. Aber, das muß ich zugeben, die waren letztendlich auch gar nicht so schlecht!

Der Allgäu-Burger – eher eine Art triefender Scheiterhaufen zwischen den üblichen Brotlappen – hat mich jetzt optisch nicht so sehr überrascht. Seit meinem ersten „Double Wabble“ zu Anfang der 70er-Jahre in San Francisco, wo mir fachmännisch erkläre wurde, die mundgerechte Dimension durch zusammendrücken herzustellen, schreckt mich diesbezüglich nichts mehr. Und über Wirkung und soßentriefender Nebenwirkungen machte ich mir diesmal keine großen Sorgen, weil ich eh danach trachtete diese vielleicht zukünftige allgäuerische Traditionsspeise näher in Augenschein zu nehmen.

Allgäuspitze gesucht: Wo ist der Kässpatzen-Patty?

Auf einem leicht angetostenten Labberbrot unterlegt ein einzelnes Salatblatt einen schmackhaften und fülligen Burger, triefend überzogen von einer so genannten ChipotleSauce, welcher ich eine Nähe zu einer stark gewürzten Majonäse zuordnen würde. Zum Beef würde ich diese absegnen, aber an Kässpatzen..? Die Kässpatzen, ich hatte diese immer noch nicht erblickt. Gehen wir also noch näher ran: Unter der Chipotle-Sauce schaut was hervor, Sieht braun und kross aus und es sind, ja tatsächlich es sind Röstzwiebeln!

Immerhin schon mal ein Fingerzeig in Richtung Kässpatzen und nach alter Allgäuer Tradition sollten diese sich jetzt auch darunter befinden. Chipotle-Sauce mit Röstzwiebel? Mit dem Mut des Entdeckers griff ich zur Gabel und…Röstzwiebeln, Röstzwiebeln, Röstzwiebeln….und ich fragte mich so langsam ob ich den richtigen Burger bekommen hab.
Ich muße einen Berg von Röstzwiebeln abräumen bevor ich meinen Kässpatzen in Form eines herausgebratenen zusammengestauchten Burgers ansichtig werden konnte, mit dem der Beef Burger trapiert wurde. Bei der Gelegenheit kamen auch die angekündigte frische Salatgurke ans Licht. Die Wirkungsmenge der Kässpatzen bei einem namensgebenden Allgäuer Burger kann ich bestenfalls freundlich als „Amuse geul“ umschreiben.

Wobei dieser Gruß aus der Küche, von jedem praktizierenden Allgäuer eher als Beleidigung verstanden wird. Alles was ein Allgäuer mit Kässpatzen verbindet, ist hier gebrochen. (Daß ein rachsüchtiger Preuß in der Küche stand hab ich vermutet, konnte es aber nicht belegen.)

Mein Allgäuer Kässpatzen-Burger Fazit:

Mein Fazit ist zugegeben traditionell unterlegt und Kässpatzen sind für einen echten Allgäuer nun mal ein primäres Identitätsmerkmal. Und wie hart dafür gekämpft wird mag allein die Auseinandersetzung sein, ob Kässpatzen Fäden ziehen müssen oder nicht. Und für mich, ich sags ganz klar und deutlich, für gehören Spatzen und Käse innig durch Fäden verbunden.

Letztendlich aber habe ich mich geopfert und diesen Allgäuburger verputzt. Mehr aus forschendem Interesse als das der Hunger ihn hineingetrieben hätte. Und satt bin ich auch geworden dank der Pommesbeilage und einer paar Tütchen Ketchup. Aber einen Nachschlag werde ich mir mit Sicherheit nicht holen.

Hier entwickelt sich ein schleichender Angriff
auf ein zentrales Allgäuer Glaubensbekenntnis
und da sollten die Allgäuer doch aufhorchen.

Ich weiß, es ist nicht populär sich gegen Migration zu stellen,
aber so etwas dürfen die Allgäuer – im Interesse Ihres Kulturerhalts –
nicht über die Argen schwappen lassen.

So wie weiland gegen den Truchsess von Waldburg,
rufe ich die Allgäuer auf , wieder zu den Mistgabeln zu greifen.

Nicht nur die Bienen sind zu retten, auch unsere Kässpatzen!

Für Dich an der Tastatur: Rolf

Ich bin „Renn“tner. Einer der sich mit zwei „n“ schreibt. In Memmingen gebohren, aber jetzt in der schwäbischen Diaspora bei Neu-Ulm wohnend. Für mich ist der Allgäuer der Hardcore unter den Schwaben. Eine Thematik mit der ich gerne kokettiere. Mein Pulver dazu erwandere ich mir gerne im Allgäu oder um’s Allgäu herum und vielleicht triffst Du mich mal wenn ich mit dem Pilzkorb dazu auf Suche bin. Aber Vorsicht, mit mir ist schlecht diskutieren! Ich bin ein wandelndes Geschichtsbuch und weiß immer noch was …. 😉

Rolf Kuntz

Forschender Geschichtenfinder, Renntner

Fundiert

JournalistInnen & TexterInnen recherchieren und berichten.

Lesenswert

Weil wir Dich mit allen Sinnen in die Geschichten mit rein nehmen.

Anders

Wunderbare Geschichten, die berühren und informieren.

Einfach

Das Neueste senden wir Dir bequem in Dein eMail Postfach.