
Spätzle oder Knöpfle? Und was das mit den sieben Schwaben zu tun hat

Kässpätzle, Käsknöpfle das ist wieder mal so eine dialektische Unschärfe. Wir Allgäuer machen aber bekanntlich Knöpfle. Und Knöpfle sind nun mal Allgäuer Spatzen, welche sich durch eine maximal zweifache Länge zum Durchmesser auszeichnen. Also essen wir richtigerweise Käsknöpfle und sagen aber Kässpatzen. Warum? Das kann nur ein Allgäuer widerspruchslos hinnehmen.
Aber von Vorne …
Man staune über des Knöpflesschwab selbstlose Heldentat!
Ein Hans Wilhelm Kirchhof aus Kassel schrieb 1563 die Anekdoten- und Geschichtensammlung „Wendunmuth“ . Darin berichtete er erstmals über unsere tapferen 7 Vorfahren: die sieben Schwaben. Populär wurden die Geschichten 1827-29. Von Ludwig Auerbach aus Türkheim erschienen 2 Bände „Ein Volksbüchlein“ mit den Geschichten der 7 Schwaben.
Wenn wir die Großmutter besuchten, dann hatten wir die Kronburg vor der Haustüre, genauso wie die allgegenwärtige Geschichte der kulinarischen Kerkerbefreiung aus den Fängen des Junker Jörg. Und so galt es für mich unhinterfragt: Der Knöpflesschwab hat Knöpfle gegessen.
Etwa ein halbes Jahrhundert später, blättere ich zufällig wieder in dieser Sieben-Schwaben-Story und lese:
Der Blitzschwab hieß also, weil er sich die Redensart „Hotz Blitz“ angewöhnt hatte. Der Spuegelschwab hatte die Gewohnheit, seine Nase allezeit an dem Vorderteil seiner Jacke abzuputzen, die davon einen gewissen Spiegelglanz annahmt. Das verschaffte jenem den sauberen Namen. Knöpflesschab war ein Mann, der verstand, gute Spätzle oder Knöpfle zu kochen. Das ist im bayrischen Deutsch „Knötel“ und im sächsischen Deutsch „Klöße“.
Der Spiegelschwab aber, der ihn wohl kannte und wußte, daß Schmalhans in dessen Küche und Keller haußte, legte seinen Plan darauf an und teilte ihn den Gesellen mit. Wie also der Scherg mittags eine große Pfanne voll kleiner Klöße, die sie Milchspätzle nennen, brachte, sprach der Blitzschwab zum Spätzlesschwaben: „Die gheiret wohl fir di!“. Der Scherg meinte, daß es wohl für alle genug sei. Der Spätzlesschwab aber sagte, er wolle lugen, obs für ihn lange, setzte sich und aß die Pfanne alleine aus, so daß kein Krümchen und Bröckchen mehr übrig blieb. Der Scherk erschrak und lief zum Junker ….
……womit diese Geschichte zu einem unaufgearbeiteten Kriminalfall wird.
Spätzle oder Knöpfle? Was gilt jetzt?
Ich gehe davon aus, jeder echte Schwabe hat die Geschichte vom Knöpflesschwab noch im Hinterstübchen und ich muß diese hier nicht mehr breit treten. Wundere mich aber, dass 450 Jahre Allgäuer Stammtische nicht willens oder fähig waren, die hier aufgezeigten Widersprüche zu bewältigen.

Dies bestätigt meine Wahrnehmung, dass die Bergeshöhen manchmal den Weitblick behindern.
Spätzle oder Knöpfle, Knödel oder kleine Klöße! Was nun? Das müßte doch für einen Allgäuer eine Glaubensfrage sein! Da gibt es keine Dreifaltigkeit, sondern nur eine einfache klare Definition.
Denn es kann nicht sein, daß das Allgäuer Natonalgericht am Ende womöglich Käsknöpfle, Kässpätzle UND Kässpatzen heißt!
Ein Blick auf die frühere Herstellung der Allgäuer Spatzen
Wenden wir uns also wieder dem Jahre 1827 zu! Für die Herstellung der Knöpfle, Spätzle, kleinen Klöse oder was auch immer hatten man damals keinen Spatzenhobel oder Spatzenpresse zur Verfügung und das mühselige Schaben auf dem Brett dürfte keine Alternative gewesen sein, da sich ein Allgäuer nur mit einem Haufen zum nahdrugga zufrieden gibt.
Aber es findet sich in der Geschichte ein eindeutiger Hinweis in dem Wort „kleine Klöse“. Heute würde kein Allgäuer Knöpfle als „kleine Klöse“ bezeichnen. Aber vor dem Industriezeitalter – und der Erfindung von Spatzenhobeln und Spatzenpressen – mußte zur Befrieding des täglichen Knöpflesbedarf, zu praktikableren Gerätschaften gegriffen werden.
Und da gab es einiges an Auswahl, auch wenn dabei die Grazia der Knöpfle mehr zu kleinen Knödeln tendierten.
Gschmeckt hott’s allaweil!
Und ob meine Recherche stimmt, mag der eine oder andere Stammtisch diskutieren. Aber bis heute kenne ich keine plausiblere Erklärung, als daß das Ganze mit dem Spätzlesschwab und den Gerätschaften zusammenhängt.
Für Dich an der Tastatur: Rolf
In Memmingen geboren, aber jetzt in der schwäbischen Diaspora bei Neu-Ulm wohnend. Für mich ist der Allgäuer der Hardcore unter den Schwaben. Eine Thematik mit der ich gerne kokettiere. Mein Pulver dazu erwandere ich mir gerne im Allgäu oder um’s Allgäu herum und vielleicht triffst Du mich mal wenn ich mit dem Pilzkorb dazu auf Suche bin.
Noch ein paar Allgäuspitzen
Der Allgäuer
oder die Geschichte einer Übernachtung
Kässpatzen-Burger
oder die Geschichte einer Verkostung
Im Frühtau zu Berge
Fallera!!!
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