
D´r Kroamer Dorfladen: Heimat, Café-Treff & Bankfilliale

Das Gefühl „daheim“ zu sein, überkommt mich wo anders sehr selten. Wenn es passiert, dann aber richtig! Im Kroamer Dorfladen mit Café-Treff in Ebratshofen, ist genau das geschehen: Gemütlichkeit, Herzlichkeit, ein guter Kaffee, Allgäuer Lektüre, ein unterhaltsames Gespräch mit Susanne Burkart, der Besitzerin vom „Kroamer“. Seit über hundert Jahren das „Handelszentrum“ in dem kleinen Dorf, irgendwo im Westallgäu. Ein Dorfladen mit Heimat-G´fühl!
Wo ist d´r Kroamer Dorfladen?
Zum Kaffee trinken? Zum einkaufen? Zur Post? Zur Bank?
Ich fuhr ein paar mal den kürzesten – aber nicht den schnellsten – Weg von Gestratz nach Missen, und da liegt Ebratshofen sozusagen dazwischen. Ein Ort, wie so viele im Allgäu. Nichts besonderes. Ja, wenn da nicht der kleine Laden an der Hauptstraße wäre.
Der kleine Laden – Edeka ist klar erkennbar – fiel mir auf, weil im Sommer sehr, sehr einladend vor dem Eingang aufgestuhlt war. Ein kleiner Einkehr-Garten vor dem Haus. Und jedesmal, wenn ich vorbeifuhr, stärkten sich dort mehr oder weniger erschöpfte Radl-Fahrer. Und diese Radfahr-Pause sah nach einer sehr entspannten und längeren Pause aus. Ich kombiniere: Lange Pausen verbringt man nur in angenehmer Umgebung, also ….
D´r Kroamer-Laden: Ein Familienbetrieb seit über 100 Jahren
Entsteht das besondere Heimat-Gefühl der Gäste dadurch, daß die Authentizität fast greifbar ist? Daß das Gefühl von Beständigkeit und Unaufgeregtheit spürbar ist? Oder ist es die Selbstverständlichkeit, mit der der selbstgebackene Kuchen serviert wird? Das harmonische Chaos im kleinen Laden, der aus allen Nähten zu platzen scheint, aber doch ein wirklich sehr umfangreiches Sortiment bietet?
Was es auch ist, hauptsache diese positive Stimmung ist spürbar.
Das Sortiment:
Zu finden sind neben den normalen haltbaren Lebensmittel auch Obst & Gemüse, Wurst & Allgäuer Käse, eine gute Brotauswahl, ein Bio-Regal mit Produkten von Alnatura, Haushaltsartikel für den täglichen Gebrauch, Zeitungen & Zeitschriften … irgendwie alles.
D´r Kroamer ist über 100 Jahre im Familienbesitz
Der Kramer-Laden war IMMER in weiblicher Hand.
Er war fast noch nie geschlossen!
(In der Besatzungszeit wurde er kurz als Casino zweckentfremdet)
D´r Kroamer Dorfladen wird Einkehr-Stube & Café-Treff
Wie in so vielen Dörfern schließen auch im Allgäu die Wirtschaften, die früher zu jeder Kirche gehörten. Es fördert das soziale Miteinander, das Treffen in der Wirtschaft. Stammtisch-Ratsch, Karten spielen, „Familie ausführen“, Vereinstreffen, eine Frauen-Quassel-Runde – die Menschen brauchen einen reelen Ort zum zusammenkommen. Doch auch in Ebratshofen gab es keinen Treffpunkt mehr.
Was die IG-Oma in Martinszell geschaffen hat, das realisiert Susanne seit drei Jahren mit Ihrer Einkehrstube, Ihrem Café.
Als das kleine Reisebüro nebenan mehr Platz brauchte, und deshalb auszog, ergab sich die Erweiterung des Dorfladens zur Erbratshofener Einkehr-Stube. Die Burkart-Frauen packen tatkräftig an. Die alte Ladeneinrichtung, verschiedene Stuhl- und Tisch-Kombination, eine originelle Theke wird aufgemöbelt. Susanne näht Kissen über Kissen, Vorhänge & Tischdecken. Die Wirtschaftskonzession wird beantragt.
Jetzt treffen sich am Dienstag die Strickfrauen, am Freitag ist Schafkopf-Abend, die Vereine halten im Kroamer ihre Sitzungen und Treffen ab, es kommen Frühstücker und Frühstückerinnen, die Arbeitstätigen auf ne schnelle Brotzeit, die besagten Radler und Wandervögel, Durchfahrer und Durchfahrerinen (ich), Kaffeetanten und Kaffeeonkel und auch sonst jeder, der Lust auf ein wenig soziales Miteinander verspührt.
Gesprochen wird auch mal quer über die Tische,
wenn es gerade Neuigkeiten zu erzählen gibt.
Und wenn eine private Feier ansteht, dann öffnet Susanne Burkart nach Absprache (Tel.:08383/300) ihre „Kroamer Einkehrstube“ auch für eine geschlossene Gesellschaft. Alles kann, nichts muß.
Und wie kommt jetzt die Bank in den Dorfladen?
Der Schwiegervater von Susanne führte lange Zeit die Raiffeisenbank in Ebratshofen. Nach seinem frühen Tod übernahm die Volksbank die Zweigstelle im Haus, und war dort bis 2005 Mieter. Als die Filliale geschlossen wurde, waren die Ebratshofener – vorallem die älteren Herrschaften – vom Bankennetz ausgeschlossen. Jetzt ist Susanne Burkard nicht nur Ladenbetreiberin, sondern auch gelernte Bankkauffrau. Praktisch veranlagt, mit dem Gespür für Notwendigkeiten, übernahm sie vor über 10 Jahren die banktechnische Nahversorgung im Auftrag der Volksbank Allgäu. Sozusagen einen Bank-Service über den Ladenbuddel.
So gemütlich, findet man wohl so schnell keine Bankfiliale mehr. Oder kennt Ihr eine Bank in Deutschland in der kompetent, bei einer heißen Tasse Schokolade, Geldgeschäfte besprochen werden?
Quintessenz:
Mich erinnert alles an meine Kindheit auf dem Dorf.
Wer die Telefonnummer 300 besitzt,
ist garantiert beständig.Ebratshofen ist gleich am östlichen Ausgang vom Naturschutzgebiet Eistobel!
Wandern & Einkehren 🙂
Wäre schön, wenn wir alle die kleinen Dorfläden mehr unterstützen würden,
weil es nicht um ein paar Münzen mehr geht, sondern um das soziale Gefüge.
Eure Ulli

Als Online-Handwerkerin mit viel Begeisterung für Mensch, Technik & die Region rückt sie Geschichten ins richtige Licht. So werden Texte und Inhalte im Internet gefunden.
Weiterführende Informationen
Nix wie hin, zum „Kroamer“:
Du findest den Kroamer auf der Allgäu-Karte oder in Ebratshofen 33, 88167 Grünenbach.
Dieser Text wurde unabhängig recherchiert.
Es bestand kein Auftrag. Es wurde nichts bezahlt.
Der gesamte Beitrag ist Eigentum des Autors!
Link: Leider gibt es noch keine Internetseite vom Kroamer´s, aber es ist ein guter Ausgangspunkt zum Eistobel, zur Riedholzer Kugel und auf die Königsalpe.
Leckere Kuchen in der Nähe gibt es auch noch im „Denkmal an Kaffee“ und im Dorfcafe´Eglofs.
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Toller Bericht mit tollen Fotos, aber mir fehlt ein Foto von der fleißigen, fröhlichen, hübschen Wirtin und Café-Gestalterin Susi!
Hier noch ein Nachtrag von Manfred Müller. Herzlichen Dank dafür!
Die Eröffnung des Cafes ist ein Quantensprung für das Dorf und das Dorfleben, wieder eine Anlaufadresse, ein Treff- und Begegnungsort. Das Cafe schließt eine langjährige Lücke. Den Verlust von früher 3 Wirtschaften nach den 50-er kann man jetzt vergessen!
Noch ein paar Details zu dem Bericht:
·
Über 100 Jahre im Familienbesitz
Das vom Zimmermeister Johann Georg Rist (1853-1918) erstellte Anwesen „Rist > Müller > Burkart > Burkart“ ist in einem alten Grundsteuer-Kataster bereits 1897 als Wohnhausneubau aufgeführt. Häuser diesen Typs aus der gleichen Werkstatt gibt es noch heute einige in Grünenbach, Ebratshofen und Sibratshofen.
· Immer in weiblicher Hand
Es führten immer die jeweiligen Ehefrauen – Maria Rist bis 1929, Rosa Müller bis 1955, Maja Burkart bis 1990, Susanne Burkart bis heute – das Geschäft. Deren Männer waren / ist hauptberuflich außer Haus tätig. Wohl nach „altem Allgäuer patriarchalischem Denken“ firmierte das Geschäft aber stets unter dem Namen – auch der eingeheirateten – Ehemänner.
· Laden nie geschlossen
Dank der fließenden Französischkenntnisse von Franz Müller – in der kritischen / schwierigen Phase nach dem 2. Weltkrieg. Ebratshofen war als Grenzort der französischen Zone von einem zur Einwohnerzahl überproportionalen französisch / marokkanischem Truppenkontingent besetzt – wurde das Haus nur weitgehend beschlagnahmt und diente als Offizierskasino.
· Wie kommt die Bank in den Dorfladen?
1920! Nach dem ersten Weltkrieg gründeten die Ebratshofener einen Raiffeisen-Verein. Rosa Rist (1896–1955) bestellten sie zur ersten Kassiererin / Rechnerin. Sie konnte in ihrem Haus auch einen Kassenraum zur Verfügung stellen. Bis 1970 waren die Ehemänner der das Kolonialwarengeschäft führenden Ehefrauen nebenberufliche Kassiere / Rechner dieser Darlehenskasse / Raiffeisenkasse, Franz Müller (1895-1962) über 30 Jahre, Wolfgang Burkart (1921-1972) 9 Jahre. Verbunden mit der Raiffeisenkasse war auch bis in die 50-er ein Lagerhaus zur Versorgung der Landwirte mit Kunstdünger, Futtermittel usw. bzw. der Bevölkerung mit Kartoffeln usw..
Die Fusionierung der Raiffeisenkasse mit der Volksbank Isny wurde jedoch nicht durch den – ja nicht absehbaren – plötzlichen Tod von Wolfgang Burkart (1972) verursacht. Sie erfolgte vielmehr aus gesamtwirtschaftlichen Gründen bereits vorher zum 31.12.1970
· Telefonnummer 300
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde im Hause eine amtliche Posthilfsstelle u.a. mit einem öffentlichem Fernsprecher – Rufnummer 100 – eingerichtet. Sie bestand bis Ende der 50-er. Um diese Zeit musste diese Rufnummer aus fernmeldetechnischen Gründen auf 300 verändert werden.
Vielen herzlichen Dank für diese Zusatzinformationen von Herrn Manfred Müller.