
Westallgäuer Skijöring: Cooler nordischer Wintersport

Hat der Winter Ende Januar das Westallgäu fest im Griff, sieht man bei Scheidegg heiße Wettkämpfe. Skifahrer ohne Stöcke und Schlittenfahrer mit Zügeln in der Hand. In Fahrt kommen die Wettkämpfer durch haferfressende Pferdestärken. Der coole Winterspaß aus dem hohen Norden ist bekannt als Skijöring.
Der Schnee glitzert auf der 400 Meter langen ovalen Rennbahn. Aus mehreren hundert Zuschauerkehlen entlang der Strecke sind Anfeuerungsrufe zu hören. Und schon stiebt der Schnee, als das grau-weiße Pferd mitsamt Reiterin und Skifahrerin in die letzte Kurve geht …
Voller Einsatz beim Skijöring
Die Nüstern des Schimmels sind vom Lauf geweitet, die Hufe donnern in schneller Folge auf den weißen Untergrund. Mit offensichtlicher Freude legt sich der Vierbeiner auf den letzten Metern vor dem Ziel noch ein Quentchen mehr ins Zeug. Seine Reiterin treibt ihn mit sanftem Nachdruck zum Endspurt an.
Mit Pferd und Skiern im Schnee
Beim Verlassen der Bahn blitzen die Augen von Reiterin Kathi Stelzer mit denen ihrer Mutter Silvia um die Wette. Die Skifahrerin hat sich eben den Motorradhelm abgesetzt und zieht die Skier ein paar Augenblicke später aus. Das nächste Team wird wärenddessen schon auf die – eigens zur Rennbahn umfunktionierte – Wiese gerufen.
Die junge Frau hat schon vor etlichen Jahren das Skijöring mit ihrem Pony Napoleon in Hittisau im nahen Bregenerzerwald ausprobiert. Sie war gleich Feuer und Flamme für das rasante Vergnügen. »Mama wollte das dann unbedingt auch mal machen«, erzählt sie. Also haben die Beiden Napoleons größeren Stallkameraden Conquistador
- ans Geschirr und
- das Gefühl von Zügeln und Leinen an Bauch und Schenkeln,
- sowie das Gewicht eines Skifahrers hinter sich
gewöhnt.
Wie wurde entschieden, wer reitet und wer fährt?
»Das war schnell klar. Ich bring die Pferde deutlich schneller und besser in Schwung und Mama ist die bessere Skifahrerin«,
sagt Kathi lachend.

Conquistador mit Kathi im Sattel und Silvia auf den Skiern / Foto: Viola Krauss
Skijöring ist kraftvoll für Mensch & Tier
Die skandinavische Wintersportart, die Skibegeisterte und Pferdeliebhaber zusammenbringt, braucht zumindest von Seiten des Brettlfahrers ordentlich Stehvermögen.
»Der Start ist das Schwierigste beim Skijöring. Wenn du den überstehst, dann bist du meist gut dabei«,
schmunzelt Mutter Silvia. Im Klartext heißt das, dass man als Skifahrer den Start und den damit verbundenen plötzlichen Zug am besten aus der Hocke heraus meistert. Denn sonst wird man fast von den Skiern gerissen. Diese Internas verrät uns die Skifahrerin noch, bevor sie Conquistador nach seinem Rennen den Hals tätschelt.
Skijöring mit Motoradhelm
So manches Pferd ist in Scheidegg im gestreckten Galopp mit rund 40 Stundenkilometern auf der Bahn unterwegs. Dabei fliegen zwar nicht die Fetzen, aber der Schnee mitunter in fetten Brocken aus den Hufen in Richtung Skifahrer. Ist doch ein wilderer Sport, als Langlauf oder Schneeschuhwandern. So war nach den ersten Skijöring-Übungsrunden auf der heimischen Weide für Kathi und ihre Mutter schnell klar: Wir ziehen als Fahrer nicht den üblichen Skihelm, sondern gleich einen Motorradhelm mit Visier an.

Kraftvoll und bis zu 40 kmh / Foto: Viola Krauss

Freie Wahl der Kopfbedeckung für den Reiter / Foto: Viola Krauss
Skijöring für jedes Alter
Aber auch andere haben fürs Skijöring oder das Schlittenfahren ihr ganz eigenes Rezept. So wie der 80-jährige Theobald Schneider aus Oflings bei Wangen, der früher oft in Scheidegg am Start war:
»Einfach Vollgas geben und schauen, dass Du nicht vom Pferd oder aus dem Schlitten fällst.«
Pferde legen sich ordentlich ins Zeug
Spaß an dem etwas anderen Wintersport sind in Lindenau-Bühl bei Scheidegg übrigens nicht nur den Zweibeinern anzusehen. Auch die Pferde scheinen Spaß an der winterweißen Veranstaltung zu haben. Wie Kathi und Silvia Stelzers Conquistador legen sich die meisten Pferde mit ordentlich Tempo ins Zeug. Egal ob vor Skifahrern oder Schlittenfahrern, Anfeuerungsrufe reichen dabei aus.
Ok, manche Vierbeiner wollen villeicht einfach nur gut aussehen!

Hauptsache ne wilde Mähne! / Foto: Viola Krauss

„Blos it huddla!“ / Foto: Viola Krauss
Skijöring & die Reitergruppe Scheidegg
Bei der Reitergruppe Scheidegg dachte man sich, dass neben Veranstaltungen im Sommer und Herbst, für Reiter und Pferdefreunde auch ein Wettkampf im Winter eine schöne Sache wäre. Also wurde vor mehr als zehn Jahren eine Wiese präpariert und zum ersten Pferdeschlittenrennen und Skijöring eingeladen.
Skijöring Regeln im Westallgäu
Auch diesmal können bei ausreichend Schnee Reiter und Fahrer in unterschiedlichen Klassen auf die 400 Meter lange Bahn gehen. Grundsätzlich darf jedes Pferd zweimal starten, ob als Schlittenpferd oder als Zugpferd im Skijöringwettkampf. In den Skijöring-Wettkämpfen dürfen alle Pferde galoppieren. Vor dem Schlitten müssen Großpferde die Runde im Trab absolvieren, Ponys dürfen sie galoppieren.
An den Start gehen meistens Ein- und Zweispänner mit alten, neuen, eleganten oder urigen Schlitten im Schlepp. Theoretisch könnte man auch mit einem Drei- oder Vierspänner antreten, aber das ist noch nie vorgekommen.
Abwechslung, Spaß und Gaudi
Und als ob das noch nicht genug Abwechslung, Spannung und Gaudi für die Zuschauer wäre, gibt es meist auch einen zusätzlichen Programmpunkt. So rasten nach den Pferden auch schon Schlittenhunde oder Quads über die Schneebahn.
Eines ist jedenfalls sicher: Wenn der Reitverein Scheidegg zum Schlittenrennen und Skijöring einlädt, dann ist das nicht nur für Pferdefreunde eine mächtig coole Sache.
Skijöring Scheidegg 2023 auf einen Blick:
Das Schlittenrennen und Skijöring in Scheidegg findet bei ausreichend Schnee und guten Witterungsbedingungen am:
Sonntag 5. Februar 2023 (das ist bereits der Ausweichtermin)
um 12.30 Uhr statt
in:
Bühl 10 (Anwesen der Familie Briegel in Lindenau-Bühl)
88175 Scheidegg,
• Infos unter: Tel. 0172/4803521
• Alle Angaben ohne Gewähr

Skijöring ist ne coole Sache – beim mitmachen & beim zuschauen / Foto: Viola Krauss
Weiterführende Informationen
Skijöring (aus dem norwegischen Snørekjøring, Schnurfahren) ist eine sehr alte, in den nordischen Ländern entstandene Fortbewegungsart im Schnee.
Dabei zieht ein Rentier, Pferd oder Hund einen Skifahrer hinter sich. Entweder der Skifahrer lenkt das Tier selbst, oder – im Falle eines Pferdes – wird der Vierbeiner auch geritten.
Heutzutage wird der Wintersport zudem mit Motorschlitten, Motorrad oder Auto ausgeübt.
Dieser Text wurde unabhängig recherchiert.
Es bestand kein Auftrag. Es wurde nichts bezahlt.
Der gesamte Beitrag ist Eigentum des Autors!

Klein und auf Zack. Viola hört die Zwischentöne und schreibt damit ganz besondere Geschichten: Über Menschen, über Berufe & Berufungen und über Orte wo man gerne länger sein möchte. Wie zum Beispiel im westlichen Allgäu. Mit einem Allgäu-Winter-Tipp ist sie auch in der Januar-Februar-Ausgabe der Zeitschrift BARBARA auf S.152.
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