Storytelling für das Allgäu

Feuer und Flamme fürs Funkenfeuer

Wenn am ersten Sonntag nach Aschermittwoch am Stadtrand von Wangen meterhohe Flammen in den Himmel schlagen, ist niemand beunruhigt und ruft die Feuerwehr. Im Gegenteil: Jung und Alt genießen diesen besonderen Brand. Die feurige Veranstaltung, genannt Funkenfeuer, ist ein alter Allgäuer Brauch und ein Spektakel mit hohem Geselligkeitsfaktor.

Gut geplant, das rießige Funkenfeuer

Immer wieder treibt der Wind an diesem kalten Sonntagnachmittag dunkle Wolken über Wangen hinweg. Am nordwestlichen Stadtrand steht ein Holzhaufen, beinahe so groß wie ein Geräteschuppen. Viele, viele Paletten und knapp 2000 ausgediente Christbäume wurden am Tag zuvor zum Funkenhaufen aufgetürmt. Die richtige Bauweise sorgt dafür, dass das Feuer genügend Luft von unten bekommt.

Die Funken-Hex

Eine etwa 20 Meter hohe Fichte, die sogenannte Funkenstange, ragt aus der Mitte des Haufens. Unter ihrer Baumkrone ist eine lebensgroße Puppe zu sehen. Windstöße lassen sie mitsamt ihrem Besen rund um den Baum wirbeln. Kopftuch, eine große Hakennase und nicht zuletzt der Reisigbesen weisen die Gestalt als Hexe aus.

Sicherheit beim Funken

Auch die beiden jungen Männer schauen immer wieder zur Hexe nach oben, während sie dünne Holzpfosten rund um den Holzhaufen in den feuchten Wiesenboden schlagen und Flatterband daran befestigen. Etliche Meter Abstand zum Funkenfeuer müssen aus Sicherheitsgründen schon sein. Doch egal, ob direkt in der ersten Reihe hinter der Absperrung oder mehrere hundert Meter entfernt: das traditionelle Funkenfeuer, auch Funken genannt, lässt hier in Wangen auf der Berger Höhe kaum einen der meist rund 1.000 Besucher kalt.

Funkenfeuer - Feurio, los geht´s!

Feurio! Los geht´s mit dem zündeln … / Foto: Viola Krauss

Funkenzunft & Hexen-Geburt

Auch Cilly Graf ist spätestens seit ihrer Jugend Feuer und Flamme für den schwäbisch-alemannischen Brauch. Schon damals wurde ein Funkenfeuer von zwei Bauersfamilien bei der Berger Höhe ausgerichtet. Mit der Zeit kamen durch ein Baugebiet und die wachsende Nachbarschaft immer mehr Menschen dazu.

1973 wurde die Funkenzunft gegründet. Seit jenem Jahr gibt es am ersten Fastensonntag das Funkenfeuer als offizielle Veranstaltung. Cilly Graf war Gründungsmitglied und ist deshalb auch jedes Jahr dabei, wenn der große Holzstoß in Flammen aufgeht. Doch nur Zuschauen ist ihr zu wenig.

In ihrem Gartenhaus, ganz in der Nähe des Funken-Festplatzes, wird seit vielen Jahrzehnten die Funkenhexe gebaut. Zunächst hat das ihr verstorbener Ehemann Anton gemeinsam mit Justin Hensler gemacht. Seit rund 15 Jahren sorgt sie mit weiteren dafür, dass an der Funkenstange in der Mitte des Wangener Funkens eine lebensgroße Funkenhexe auf ihrem Besen sitzt.

„Diese Hexe verkörpert den Winter, hat also nichts mit der mittelalterlichen Hexenverbrennung zu tun. Mit dem Entzünden und Abbrennen des Funkenfeuers soll der Winter ausgetrieben werden“,

erklärt die 69-Jährige. Schon lange vor der Fasnet bekommt sie von Wangener Bürgern abgelegte Kleidung, mit der die selbst gebaute Puppe einkleidet wird. Rund drei Stunden benötigen die Hexen-Geburtshelfer, bis die Symbolgestalt aus einem Ski-Overall, Papierschnipseln, Draht, der Kleidung und einer Hexenmaske aus Plastik „geboren“ ist und auf ihrem Besen sitzt.

Funkenfeuer-Hexe, die Gestalt symbolisiert den Winter.

Der WINTER in Hexengestalt wird hergerichtet. / Foto: Viola Krauss

Vor dem Funkensonntag gibt „Hexen-Loben“

Am ersten Tag der schwäbisch-alemannischen Fasnet, der im Raum Wangen Gumpiger Dunschtig heißt, treffen sich die Mitglieder der Funkenzunft im Graf’schen Gartenhaus zum Hexen-Loben. Das bedeutet nichts anderes, als dass die am Nachmittag zuvor erschaffene Hexe begutachtet und auf sie angestoßen wird.

Anschließend werden im Vorstand die letzten organisatorischen Details für den Funkensonntag besprochen. Schließlich soll jedes der 50 Mitglieder auch wissen, an welcher Stelle beim Aufbau des Funkens oder der Bewirtung seine Hilfe benötigt wird. Bei der geselligen Runde im Gartenhaus dürfen die traditionellen Zogene Küchle oder Funkenküchle nicht fehlen.

Funkenküchle zum Funkenfeuer

Die im heißen Fett ausgebackene Leckerei gibt es auch am Funkensonntag draußen auf dem Festplatz – und zwar schon bevor Holzstoß und Funkenhexe in Flammen aufgehen. Den Teig für die dort ausgegebenen 500 Funkenküchle macht Cilly Graf dann allerdings nicht selbst. Sie bekommt von einem örtlichen Bäcker Teigrohlinge geliefert.

Zusammen mit ihrer Tochter Corinna und Enkelin Katharina formt sie vor Ort in einer der Verpflegungshütten die in der Mitte hauchdünnen runden Fladen und backt sie im heißen Fett aus.

Funkenküchle zum Hex-Loben

Frisch aus dem Topf zum Funkenhexe loben! / Foto: Viola Krauss

Funkenküchle dürfen süß sein

Zucker & Zimt! / Foto: Viola Krauss

Viele Funken beim Funkenfeuer

Viele Funken für die Winter-Hex. / Foto: Viola Krauss

Micro-Abenteuer am Funkenfeuer

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit strömen immer mehr Menschen dem Funkenplatz zu. Etwas weiter abseits, am Hang, stehen bereits mehrere Grüppchen. Sie haben dort nicht nur den Funkenhaufen, sondern auch die noch schneebedeckte Bergkette mit Hochgrat und Rindalphorn im Blick. Die Stimmung ist locker. Kinder flitzen aufgeregt hin- und her und bestaunen die Hexe von allen Seiten.

Die Funken-Hex bestimmt das zukünftige Wetter

Der diesjährige Funkenhaufen wird begutachtet. Hier und da werden Vermutungen angestellt, wie schnell wohl in diesem Jahr die Hexe brennt. Denn: Wenn der Funken nicht richtig lodert, oder gar die Hex nicht in Flammen aufgeht, wurde das früher als schlechtes Zeichen gewertet. Auch heute noch glaubt der eine oder andere:

Je schneller und besser Funken und Hexe brennen, desto rascher kommt der Frühling.

Kurz vor 19 Uhr ruft Funkensprecher Thomas Ballweg in die Menschenmenge: „Hi, ha, ho“. Prompt kommt aus mehreren Hundert Kehlen ein „Feurio“ als Antwort zurück. Kaum hat der junge Mann den Wunsch der meisten Funkenbesucher mit den Worten: „Der Funken brenne lichterloh“ geäußert, schon kracht es gewaltig. Mehrmals feuern die Böllerschützen der Deuchelrieder Schützengilde in den mittlerweile dunklen Nachthimmel und geben damit den erfahrenen Funkenzunft-Mitgliedern den Startschuss. Mit bereits brennenden Fackeln entzünden sie das mit Papierschnipseln vermischte Holz.

Das Funkenfeuer brennt

Zunächst langsam, dann immer schneller, fressen sich die Flammen durch den Holzstoß nach oben. Die trockenen Fichtennadeln der Christbäume brennen wie Zunder. Ein vielstimmiges „Ah“ und „Oh“ ist zu hören, als nach rund zehn Minuten die ersten Flammen zuerst den Besen und dann den Allerwertesten der Hexe erreichen. Gleich darauf brennt sie lichterloh. Hell leuchtet das Feuer in den Nachthimmel und kann in weitem Umkreis gesehen werden. Die Flammen lassen Schatten auf den Gesichtern der Besucher tanzen und hüllen alles in ein orangerotes Licht und eine angenehme Wärme.

Nach rund zwei Stunden geben die noch immer brennenden Paletten und Christbäume nach. Mit einem meterhohen Funkenflug fallen sie in sich zusammen.

Langsam treten die ersten Besucher den Heimweg an und sind sich sicher: nach solch einem gelungenen Funkenfeuer sprießen bald Schneeglöckchen, Krokusse, Girsch und Bärlauch. Der Frühling kommt. Und mit der Wärme wieder mehr Aktivitäten draußen.

Das Funkenfeuer und die Hex brennt - bald ist Frühling

Es brennt! Bald ist Frühling. / Foto: Viola Krauss

Traditionelles Funkenküchle Rezept

500 g Mehl
30 g Hefe

250ml Milch
60g Butter
60g  Zucker
2 Eier
Abrieb Zitronenschale

Aus Mehl und Hefe einen Vorteig machen und gehen lassen. Lauwarme Milch und restliche Zutaten hinzufügen und daraus einen glatten Teig kneten, auf einer mit Mehl bestäubten Fläche auswellen.

Mit einer Tasse Kreise ausstechen, daraus Kugeln formen und diese wiederum gehen lassen.

Ausbackfett in einem Topf erhitzen und aus dem Kugeln nacheinander runden Fladen formen. In der Mitte dünn ausziehen, ohne dass ein Loch entsteht. Außen soll dickerer Rand bleiben.

Man gibt sie schwimmend in heißes Ausbackfett und backt sie goldgelb.

Nach dem Abtropfen mit Puderzucker oder mit Zimtzucker bestreuen.

Am besten schmecken sie noch warm.

Weiterführende Informationen

Brauch des Funkenfeuers

Das Funkenfeuer, kurz: Funken, ist ein alter Feuerbrauch, der heute noch im schwäbisch-alemannischen Raum verbreitet ist. Nach altem heidnisch-germanischen Brauch soll damit der Winter ausgetrieben werden, damit der Frühling Einzug halten kann.

Die heidnische Interpretation wurde im 19. und 20. Jahrhundert von der Volkskunde stark verbreitet, und ist auch heute noch die landläufige Erklärung des Brauchs.

Die moderne europäische Ethnologie zeichnet ein etwas anderes Bild. Sowohl Termin als auch Überlieferung des Brauchs zeigen einen engen Zusammenhang mit dem Ende der schwäbisch-alemannischen Fastnacht und damit mit dem christlichen Jahreslauf. Genauer gesagt ist der Termin ein Überbleibsel des früheren Beginns der Fastenzeit.

Hinweis zum Wangener Funken: Wie in vielen anderen Allgäuer Gemeinden findet der Wangener Funken am ersten Fastensonntag statt, 2023 ist dies der 26. Februar.

Erreichbar ist der Wangener Funkenfeuer-Platz auf der Berger Höhe nur zu Fuß über die Louise-Ashton-Straße. Parkmöglichkeiten gibt es im nahen Gewerbegebiet. Von dort aus sind es etwa zehn Minuten. Mehr Infos zum diesjährigen Funkenfeuer https://www.facebook.com/Funkenzunft/

Alle Funkenfeuer Termine im Allgäu
findest Du hier >>>

Mehr zum Brauch auf Wikipedia >>>

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