Storytelling für das Allgäu

Goißlschnalzer für lautstarkes Hörvergnügen: Der Knaller!

Wenn Ewald Kinzelmann und seine Kameraden auf einem Fest auftauchen, dann knallt’s. Die Männer aus Gestratz schwingen jedoch nicht ihre Fäuste, sondern Peitschenschnüre durch die Luft. Die acht Trachtler sind Allgäuer Goißlschnalzer und wahre Könner eines lautstarken Vergnügens.

Goißlschnalzen – so geht´s (rein theoretisch)

Bernd Bareth steht lässig da und lässt seine Finger über die weißen Knöpfe seiner Steirischen Harmonika tanzen. Ein kurzer Blick nach hinten. Dort stehen vier seiner Trachtler-Kameraden in der Krachledernen und einem weißen Hemd. Das Körpergewicht ruht jeweils auf dem rechten Bein, die linke Hand steckt in der Hosentasche, der Peitschenarm ist angewinkelt.

Während Bareths Finger den »Slowenischen Bauerntanz« ertönen lassen, heben die vier wie auf Kommando den rechten Arm ein klein wenig an – und los geht’s: Die Schnüre sausen als liegende Acht durch die Luft. Kurz bevor die Acht in einem harmonisch-verlaufenden
Schlenker geschlossen wird, ertönt ein ohrenbetäubender Knall – und zwar synchron.

Peng!

Im Takt werden die Arme erneut angehoben, die Schnüre zerschneiden den gewittrigblauen Abendhimmel, und  wieder knallt’s.

Überschallgeschwindigkeit, das Geheimnis

Jeder der vier hat mit Muskelkraft und Technik das Ende der Peitschenschnur auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt.

»Der Schmotz macht’s«,

sagt Engelbert Fink mit einem Grinsen. Der Gestratzer Bürgermeister deutet auf das ausgefranste grüne Schnurende, die sogenannte Treibschnur, und erklärt’s dann noch ein bisschen genauer:

»Wird die Peitsche richtig geschwungen, bildet sich eine Schlaufe. Mit steigender Geschwindigkeit bewegt sich diese wegen der Fliehkraft vom Griff weg auf das Peitschenende zu. Am Ende der Schnur öffnet sich die
Schlaufe, die Schallgeschwindigkeit wird überschritten. Das ergibt den Knall.«

Goislschnalzen im Westallgäu

„Kaum zu glauben: Überschallgeschwindigkeit! Wirkt gar nicht so ;-)“, Foto: Viola Krauss

Goißlschnalzen will geübt sein

Nicht nur bei seiner Arbeit, sondern auch bei seinem lautstarken Hobby braucht der Bürgermeister Taktgefühl. Außerdem gehört für alle Goißler auch ordentlich Schneid dazu. Denn nicht immer saust so eine Peitschenschnur am blumengeschmückten Hut vorbei. Gerade am Anfang einer Goißler-Karriere kommt es durchaus vor, dass der Schmotz statt eines Knalls einen Schmerzlaut hervorruft, wenn einer der Männer sich selbst oder einen Kameraden erwischt.

Mit einem Lachen erinnert sich Bernd Bareth an einen Auftritt der Gestratzer Goißlschnalzer, bei dem es recht eng zuging:

»Ich stand beim Spielen ziemlich dicht vor den Goißlern und hab gleich beim ersten Lied einen Schlenz an die Wade bekommen. Das hat ganz schön gezogen.«

Hometraining: „Goißlschnalzen“

Wie wird also für den richtigen Knall und ohne Blessuren geübt? »Das macht jeder für sich daheim«, sagt Christian Fink. Schließlich entwickelt auch jeder seine eigene Technik. Der eine schlägt links, der andere rechts, mancher auf beiden Seiten. Der eine mehr oben, der andere tiefer. Doch nicht nur die Technik muss geübt
werden.

Kraftvolles Peitschenknallen

Das Schnellen der Peitsche erfordert »Boitz«, also Kraft. »Das geht ganz schön in die Hand«, sagt Gebhard Maurus und zeigt in einer Trockenübung ohne Goißl, wie der Peitschenstecken mitsamt Schnur zum Knallen gebracht wird. Der Hauptteil der Bewegung kommt dabei aus dem Handgelenk.

Meistens treffen sich die acht Goißler mit Harmonikaspieler Bernd einmal pro Woche. Dann zählt neben dem lauten Knall auch das Taktgefühl. Richtig gut hört es sich laut Ewald Kinzelmann an, wenn mindestens
sechs der acht Gestratzer Goißler gemeinsam auftreten und es im Takt so richtig krachen lassen.

Goislschnalzen will geübt werden

Übung macht den Goißlschnalzweltmeister / Fotos: Viola Krauss

Gestratzer Goislschnalzer

Geselligkeit und etwas Sport, das gehört im Allgäu zusammen / Fotos: Viola Krauss

Goißlschnalzer fürs Auge und für die Ohren

Etwa sechs Mal im Jahr ist das bei öffentlichen Auftritten wie dem Maibaumstellen, demHeimathaus-Fest oder beim Goißlertreffen der Fall. Aber auch beim gemeinsamen Ausflug haben die Goißlschnalzerihre Fuhrmannspeitsche und das Akkordeon dabei. Bei einer Pause werden dann auch mal oben auf dem Hochgrat die Goißln geschwungen.

Knallen nach Plan

Für zehn Musikstücke haben die Männer eine Knall-Anleitung ausgetüftelt. Beim Lesen fühlt man sich an Tanzschritte erinnert: alle auf eins, dann alle auf zwei und auf vier.

Fuhrmannspeitsche fürs Goislschnalzen

Fuhrmannspeitsche / Foto: Viola Krauss

Goißlschnalzen hat Tradition

Bereits vor einigen Jahren haben sich Gebhard Maurus, Ewald Kinzelmann, Bernd Welz, Marc Kitzelmann, Franz, Engelbert, Christian und Andreas Fink innerhalb des Gestratzer Trachtenvereins zur schlagkräftigen Truppe zusammengefunden. Bei der Familie Fink haben gleich drei Brüder und ein Sohn eine Schwäche für die Kunst mit dem Schmotz entwickelt. Doch auch ohne familiäre Ansteckung müssen sich die Gestratzer Goißlschnalzer keine Sorgen um den Nachwuchs machen. Schon die Dreikäsehochs im Trachtenverein schielen begehrlich nach den Goißln und wehe, die sind nach dem Auftritt nicht gleich aufgeräumt …

Weiterführende Informationen

Goißlschnalzen ist ein Brauch am Alpenrand. Der Name leitet sich von der Bezeichnung für die Fuhrmannspeitsche ab, die im Dialekt Goißl heißt. Schnalzen bezeichnet das laute und schnelle Krachen oder Knallen mit der Peitsche.

In der oberbayrischen Region heißt es „Goaßlschnalzen“. (Die kleinen feinen Unterschiede der Dialekte ;-)) . Wikipedia sagt folgendes zum Goaßlschnalzen >>>

Und natürlich ist ein Auftritt der Goißlschnalzer ganz traditionell in Tracht. Die Edelweiss-Hosenträger zeugen von Qualität. Sie sind von Hand gestickt.

Dieser Text wurde unabhängig recherchiert.
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